Mit der Vermeidung harnsteinfรถrdernder Faktoren wie Mineraliengehalte in der Nahrung und deren Einfluss auf den Harn-pH bei der Futtermittelentwicklung sank in den letzten Jahrzehnten der Anteil an Struvitsteinen bei Hund und Katze zunรคchst deutlich. Der Anteil an Kalziumoxalat in den Harnsteinproben stieg im gleichen Zeitraum kontinuierlich an.1
Seit einigen Jahren gibt es Hinweise auf eine gegenlรคufige Entwicklung. Die 2016 verรถffentlichte Auswertung der Zusammensetzung von Harnsteinen bei Katzen in der Schweiz in den Jahren 2002 bis 2009 der Klinik fรผr Kleintiermedizin, Vetsuisse-Fakultรคt, Universitรคt Zรผrich ergab Hinweise, dass die Anzahl an Kalziumoxalatsteinen rรผcklรคufig ist, wรคhrend die Anzahl der Struvitsteine erneut ansteigt.2
Die statistische Auswertung des Speziallabors Laboklin GmbH liefert fรผr die Jahre 2014 bis 2016 ebenfalls entsprechende Indizien.3 Von den insgesamt 8065 (davon knapp 2/3 vom Hund) eingeschickten Harnsteinproben wurden beim Hund ein Anteil an reinem Struvit von 55 % und Kalziumoxalat in reiner Form in 26 % der Proben gefunden. Kalziumoxalatsteine fรผhren bei Katzen zwar nach wie vor die Statistik an, mit 55 % liegt ihr Anteil jedoch deutlich niedriger als in รคlteren Statistiken. Struvit wurde bei der Katze im berรผcksichtigten Zeitraum in 39 % der Fรคlle und damit hรคufiger als frรผher nachgewiesen. Wรคhrend andere Harnsteintypen wie Cystin und Urat in der Praxis nach wie vor eine eher untergeordnete Rolle spielen, sprechen diese Ergebnisse fรผr eine aktuell erneut steigende Beteiligung von Struvit als Ursache fรผr Urolithiden.
Die Verdรคchtigen
Auf der Suche nach Faktoren, die einen Einfluss auf diese Entwicklung gehabt haben kรถnnten, stรถรt man auf Aspekte im betreffenden Zeitraum, deren Rolle zu diskutieren ist:
- eine steigende Affinitรคt der Tierhalter zu alternativen Fรผtterungsweisen
- ein stetig wachsendes Angebot von getreidefreien Trendfuttersorten mit teils sehr hohen Proteingehalten oder/und exotischen Zutaten
- ein groรes Interesse an bestimmten Designerrassen, das heiรt an Verpaarungen von Rassen wie beispielsweise Cockerspaniel und Pudel (Cockerpoo), bei denen eine Disposition diskutiert wird 4
Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht
Kommerzielle Alleinfutter โ insbesondere Trockenalleinfutter โ renommierter Hersteller werden in internetaffinen Tierhalterkreisen zunehmend kritisch gesehen. Missverstรคndliche Fachbegriffe, der Einsatz von Zusatzstoffen, ein als zu niedrig empfundener Fleischgehalt sowie die Verwendung von Getreide verunsichern die Tierhalter. Von den Verwendern von Trockenalleinfutter wird zunehmend auf proteinreiche, getreidefreie Marken umgestellt. Um nicht auf ein vermeintlich ungesundes Alleinfutter zurรผckgreifen zu mรผssen, werden weder Kosten noch Mรผhen gescheut. Deutlich hรคufiger als frรผher wird die Ration fรผr Hund und Katze selbst zusammengestellt. Ca. 8 % der Hundehalter stellen die Ration fรผr Ihr Tier inzwischen selbst zusammen.5 Davon lassen nur knapp 10 % die selbst zusammengestellten Rationen von einem Tierarzt berechnen, um die Bedarfsdeckung zu gewรคhrleisten.5 Der langfristige Einfluss solcher Fรผtterungstrends auf die Gesundheit von Hund und Katze ist noch nicht einschรคtzbar, da es รผber das Zusammenwirken von Ernรคhrung, Haltung und Rasse auf die Entstehung einer Harnsteinproblematik noch wenig belastbare Hinweise gibt.
Im Erkrankungsfall unerlรคsslich: eine Anpassung der Fรผtterung
Die Therapie der Struvit-Urolithiasis besteht im Wesentlichen in der gezielten Auswahl eines Antibiotikums, Maรnahmen zur Steigerung der Flรผssigkeitsaufnahme und Umstellung der Fรผtterung. Die Flรผssigkeitszufuhr ist zu erhรถhen. Bei Katzen ist sicherzustellen, dass sie Zugang zu sauberen Katzentoiletten haben. Hunden sollten mehrfach am Tag ausgefรผhrt werden. Eine Anpassung der Ration bzw. die Umstellung auf ein geeignetes Diรคtfuttermittel zur Auflรถsung der Struvitsteine ist unumgรคnglich. Geeignet sind Alleinfuttermittel mit reduzierten, jedoch bedarfsdeckenden Protein-, Magnesium- und Phosphorgehalten. Fรผr die Struvit-Auflรถsung sollte ein Harn-pH-Wert von ca. 6,2 bis 6,5 gewรคhrleistet sein. Zur Prophylaxe liegt der pH idealerweise bei 6,5 bis 6,8. Sind zudem Kalzium- und Vitamin D3-Gehalte am Bedarf orientiert und die Versorgung mit Vitamin B6 gesichert, kann zusรคtzlich das Risiko von Kalziumoxalatsteinen minimiert werden.
Fazit
Statistische Hinweise legen nahe, dass Struvit als Ursache fรผr Harnsteine sowohl beim Hund als auch bei der Katze an Bedeutung gewinnt. Sowohl selbstgekochte Rationen als auch Alleinfuttermittel kรถnnen ein Risiko fรผr die Struvitsteinbildung darstellen, wenn die fรผtterungsbedingten Risikofaktoren bei der Rezepturgestaltung nicht berรผcksichtigt wurden. Eine Rationsรผberprรผfung ist im Zweifelsfall empfehlenswert. Im Gegensatz zu Urolithiden durch Urat (z. B. Dalmatiner) und Cystin (z. B. Dackel und Yorkshire Terrier) lรคsst sich bezรผglich der Struviturolithiasis bei Hunden kein belastbarer Hinweis auf die Disposition bestimmter Rassen feststellen, auch wenn es Hinweise auf eine Prรคdisposition bei einigen Rassen gibt. Auch bei der Katze scheint es derzeit keinen Hinweis auf eine besondere Disposition spezieller Rassen zu Struvitsteinen zu geben. Wegen der schwerwiegenden Folgen fรผr Hund und Katze sollten die Tierhalter fรผr die Rolle der Fรผtterung bei der Entstehung von Erkrankungen wie beispielsweise die Harnsteinbildung sensibilisiert und auf fรผtterungsbedingte Risiken und prophylaktische Maรnahmen hingewiesen werden. Zu den therapeutischen Maรnahmen im Erkrankungsfall zรคhlt daher in der Regel eine Futterumstellung bzw. die Fรผtterung eines passenden Diรคtfuttermittels.
Literaturhinweise:
1 Dijcker JC, Plantinga EA, van Baal J, Hendriks WH; In๏ฌuence of nutrition on feline calcium oxalate urolithiasis with emphasis on endogenous oxalate synthesis, Nutrition Research Reviews (2011), 24, 96โ110
2 Gerber B, Brandenberger-Schenk F, Rothenanger E, Mรผller C; Urolithen bei Katzen in der Schweiz von 2002 bis 2009, SAT | ASMV 10 | 2016, 711โ716,
3 Laboklin โ Ein Update zu Harnsteinen von Hund und Katzen aus dem Jahren 2014 bis 2016
4 Hesse A, Cryzekowsky H, Neiger R; Urolithiasis beim Hund โ 15 494 Analyseergebnisse und anamnestische Daten aus dem Zeitraum 1979-2007, Kleintierpraxis 57, Heft 12 (2012), S. 633-639
5 Kรถlle P, Schmidt M; BARF (Biologisch Artgerechte Rohfรผtterung) als Ernรคhrungsform bei Hunden, Tierรคrztliche Praxis Kleintiere 6/2015